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#Klimapolitik
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COP26: Beschliessen, was schon mal beschlossen war

Nach jeder der jährlichen Vertragsparteienkonferenzen (kurz COP) des UNO-Rahmenabkommens zum Klimawandel (UNFCCC) gibt es die pessimistischen und die optimistischen Einschätzungen dessen, was die Konferenz gebracht hat. Die Pessimist:innen sagen: Wir sind weit davon entfernt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es im Abkommen von Paris beschlossen wurde. Das bestreiten auch die Optimist:innen nicht, aber sie weisen darauf hin, dass doch Fortschritte gemacht worden seien und man vom Ziel nun ein bisschen weniger weit entfernt sei als zuvor. So ist es auch dieses Jahr nach der COP26 in Glasgow. Mit den Emissions-Reduktionen, welche die Staaten bis vor der Konferenz vereinbart hatten, war die Welt unterwegs in Richtung 2,7 Grad Erderwärmung; nach der Konferenz sind es noch 2,4 Grad (falls die Zusagen eingehalten werden). 2,4 Grad: Das wäre eine etwas weniger grosse Katastrophe als 2,7 Grad. Aber es wäre immer noch eine sehr grosse Katastrophe.

Das Glas ist ziemlich leer

Ist es also eine blosse Frage der Perspektive, ob das Glas nun halb voll oder halb leer sei? Leider nicht: Das Glas ist ziemlich leer. Hier die wichtigsten Fortschritte, die in Glasgow erzielt wurden:

  • Erstmals enthält ein Dokument der UNO das Ziel, die Nutzung der Kohle zu reduzieren (genauer: «Bemühungen um die schrittweise Reduktion der unverminderten Kohleverstromung»);
  • der «Glasgow Pact» fordert ferner, «ineffiziente» Subventionen für fossile Energieträger auslaufen zu lassen (genauer: «Bemühungen, diese Subventionen auslaufen zu lassen, zu verstärken»). 
  • Nebst dem Glasgow Pact wurden an der COP26 weitere Abkommen unterzeichnet, welche beispielsweise die Entwaldung bis 2030 stoppen oder die Emissionen des Treibhausgases Methan bis 2030 um 30% reduzieren sollen.

Die Fortschritte sind keine

Aber sind das Fortschritte? Nein. Denn sie bleiben hinter dem zurück, was früher bereits beschlossen wurde.

  • Der «Glasgow Pact» wurde auf Antrag Indiens in letzter Minute abgeschwächt, indem er nun von einer Reduktion der Kohlenutzung («phasedown») statt von einem  Ausstieg («Phase-out») spricht, wie es ursprünglich im Entwurf stand. Aber auch der Ausstieg bliebe hinter dem zurück, was schon einmal beschlossen wurde: Weil die Ziele des Pariser Abkommens nur erreichbar sind, wenn man die Nutzung aller fossilen Energieträger – nicht nur der Kohle – beendet, haben sich alle Staaten, die das Pariser Abkommen ratifiziert haben, bereits implizit dazu verpflichtet. Im Entwurf zum Pariser Abkommen war als Ziel auch die «Dekarbonisierung» vorgesehen; das wurde seinerzeit auf Betreiben Saudi-Arabiens fallengelassen. 
  • Das Ende der «ineffizienten» Subventionen (als gäbe es auch effiziente) auf fossile Energiewurde schon an der COP3 im Jahr 1997 beschlossen, wobei die damalige Formulierung weiter ging: beendet werden sollten «Marktverzerrungen, steuerliche Anreize, Steuer- und Zollbefreiungen und Subventionen, die im Widerspruch zum Ziel des Übereinkommens stehen»). So stand es in Artikel 2 des Kyoto-Protokolls und war damit völkerrechtlich verbindlich. 
  • Die Entwaldung bis 2030 zu stoppen bedeutet, bis 2030 weiter abzuholzen. Die Reduktion des Methanausstosses ist wichtig – aber Russland, China und Indien haben dieses Abkommen nicht unterzeichnet.

Schöne Worte – auch aus der Schweiz

Beschlossene Sache war auch, dass die so genannten «entwickelten» Staaten ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bereitstellen, um die «Entwicklungsländer» in ihren Bemühungen zu unterstützen, ihre Emissionen zu senken und sich anzupassen. Dieser – unzureichende – Beitrag wird aber frühestens 2024 bereitstehen. Die «Entwicklungsländer» fordern zudem, dass sich die reichen Staaten auch an den hauptsächlich von ihnen verursachten Verlusten und Schäden beteiligen sollen. Die reichen Staaten haben dazu auch in Glasgow nicht Hand geboten. Aus Sicht der globalen Klimagerechtigkeit ist die COP26 ein totales Fiasko.

Aber gewiss: Es gab viele schöne Worte. Die Schweiz machte hier eifrig mit. Bundespräsident Guy Parmelin wies in seiner Rede darauf hin, dass die aktuellen Bemühungen bei Weitem nicht ausreichend seien, um die Erwärmung des Weltklimas auf einen Zuwachs von maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Damit lag er vollkommen richtig – nur ist die Schweiz selber weit davon entfernt, ihren Beitrag zum, 1,5-Grad-Ziel zu leisten; ja, sie wäre auch weit davon entfernt, wäre das CO2-Gesetz im Juni angenommen worden.

Aussteigen, nicht reduzieren!

Am letzten Konferenztag setzte sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga gegen die Abschwächung des Beschlusses ein: «Wir müssen aus der Kohle aussteigen und sie nicht nur reduzieren». Auch das ist richtig, doch ironischerweise hat der Bundesrat mit seinem Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative genau das getan, was Indien mit dem Glasgower Text getan hat. Der Initiativtext fordert den Ausstieg aus der Nutzung der fossilen Energie; der Bundesrat möchte sie lediglich «reduzieren, soweit es wirtschaftlich tragbar ist.»

Konferenzpräsident Alok Sharma sagte zum Abschluss der COP26: «Wir können nun glaubhaft sagen, dass wir das 1,5-Grad-Ziel am Leben erhalten haben, aber sein Puls ist schwach und es wird nur überleben, wenn wir unsere Versprechen halten und die Verpflichtungen in rasches Handeln umsetzen.» 

Nächste Chance: Ägypten

Die Schweiz tut dem Patienten nicht gut. Ihre Versprechen sind unzureichend, sagt die Analyse des Climate Action Tracker: Die Schweiz fährt einen 3-Grad-Kurs. Und Ihre bisherigen Versprechen hält sie nicht ein: Das Reduktionsziel für 2020 hat sie deutlich verfehlt. Die COP26-Erklärung zur Beschleunigung des Übergangs zu 100% emissionsfreien Autos hat die Schweiz nicht unterzeichnet. 

Die Staaten haben in Glasgow beschlossen, dass die Reduktionsziele bei der nächsten COP in Ägypten nochmals revidiert werden sollen. Bis dahin muss auch die Schweiz ihr ungenügendes Ziel revidieren.